Belgisches Bier

Belgisches Bier

Die Früchte meiner Mühen möchte ich heute dokumentieren. Die Mühen bestanden aus 30kg Gepäck, unter denen ich auf der Rückreise aus Belgien fast zusammengebrochen bin, aber was mußte ich auch zig Flaschen Bier mitschleppen, wenn es gar nicht so schwer ist, das Zeug im Netz zu bestellen. Mit eigenem Blut und Schweiß schmeckt es aber vielleicht noch besser.

Belgisches Bier gibt es hier nicht im Supermarkt. Das liegt daran, daß deutsche Biertrinker bei dem Gedanken an jegliche Art ausländischen Biers an Gepansche denken. Und speziell die Belgier mit ihrem Ekelzeug. Das deutsche Reinheitsgebot! Diese Ignoranz nervt mich immer ein bißchen. Andere Länder sind natürlich nicht besser: schon mal versucht, in Frankreich einen italienischen Wein zu kriegen? Aber natürlich übertreiben es die Belgier auch ein bißchen mit den hunderten Sorten Fruchtbier, die man heute kriegt. Die meisten so wenig lecker wie die hippen Biermixgetränke hier, und zumeist zum Weglaufen süß. Oder die Biersorten, die um maximalen Alkoholgehalt konkurrieren.

Darum geht es mir heute nicht, sondern mir geht es um eine Spezialität, eine Braumethode, die man hier früher sicher auch verwendet hat, aber die wegen der schwierigen hygienischen Handhabung heute nicht mehr für Bier benutzt wird: die Spontangärung. Dabei wird der Maische keine Reinhefe zugeführt, sondern verschiedene in der Brauerei heimische Hefen fliegen aus der Luft in den Bottich. Die Belgier können das und brauen ein geschmacklich komplexes Bier daraus: das Lambik (oder Lambiek (nl.) oder Lambic (fr.)). Dieses Bier ist sowohl ober- als auch untergärig, da sich mehrere Hefetypen zum Fest einfinden. Auch findet eine deutliche Milchsäuregärung statt, so daß das Bier recht sauer ist, da eben auch Milchsäurebakterien mitfeiern wollen. Dies ist eine Eigenschaft, die Lambik mit einem Bier aus Potsdam teilt, und die Aromen sind unverkennbar ähnlich (aber Verwechslungsgefahr besteht nicht). Die Säure ist auch der Grund, warum man heute so viele süßliche Varianten findet, denn sauer geht ja gar nicht. Wer also Lambik probiert und dann über „zu süß“ nörgelt, der hat einfach nicht die ursprünglicheren Sorten probiert.

Vom Lambik gibt es mehrere Sorten. Das „ohne Geschmack“, also ohne Frucht, heißt „Geuze“ (bzw. „Gueuze“ auf frz.). Das ist das, was man als erstes trinken sollte, wenn man diese Biere ausprobieren möchte. Es ist, wie gesagt, der Potsdamer Spezialität am ähnlichsten. Im Gegensatz zu dem Potsdamer Bier, welches man auf eigene Faust einer mehrmonatigen Flaschenreifung unterziehen sollte – sechs Monate nach dem Ablauf des Haltbarkeitsdatums schmeckte es mir am besten, machen die belgischen Brauereien sowas selbst. Da steht dann „im Eichenfaß gereift“ drauf. Einige Brauereien geben sogar den Jahrgang an, wie man im Bild sehen kann.

Eine andere Variante des Lambik ist das Kriek, also Kirschbier. Es war ursprünglich (vielleicht vor einem Jahrhundert) ein Marketinggag, der etwas Großartiges hervorgebracht hat. In der traditionellen Brauweise wird Lambik mit Kirschsaft ein zweites Mal vergoren. Das Ergebnis ist ein sehr saures Kirschbier, welches am Anfang auch mit Zucker serviert wurde, den man nach Geschmack selbst hinzufügen konnte. Klar, daß sich das über die Jahrzehnte zu dem heutigen Sirupbier auswachsen mußte… Eine moderne Vereinfachung ist zudem, Kirschsirup am Ende in die Geuze zu schütten und das sofort als Kirschbier zu deklarieren. Und natürlich keine Faßreife durchzuführen. Es gibt aber immer noch einige Sorten, die mir sehr gut schmecken, weil sie nicht dem Trend des Plattsüßens folgen und durch Faßreifung ein wunderbares Aroma haben.

Nach dem Kirschbier kamen andere Früchte an die Reihe, das lag nahe. Am verbreitetsten sind heute Himbeere und Pfirsich. Beides nicht so mein Fall, aber wenn ich schon Kirschbier trinke, kann ich ja aus Gerechtigkeitsgründen eigentlich nicht auf andere Früchte schimpfen.

Auf dem Bild sind fünf Sorten abgebildet. Sie haben mir fast das Kreuz gebrochen. Ihr sollt sie unbedingt mal ausprobieren. Also, jetzt nicht genau diese Flaschen, aber vielleicht seid ihr mal in Belgien. Ich mache hier ja keine Werbung, deswegen habe ich zur Sicherheit die Namen etwas abgewandelt. Bei mir werden zwei Rezepte folgen, Varianten des Biergulaschs: in Kürze die original „Carbonade Flamande“, ein Biergulasch mit Geuze. Und dann das Experiment „Kirschbiergulasch“. Ich bin gespannt.

PS: Dies ist der vorerst letzte Artikel zum Thema „Schaum“. :-)

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16 Kommentare zu “Belgisches Bier

  1. Spontangärung, im Brauereiwesen wohl auch als Selbstgärung bekannt (Illustriertes Brauerei-Lexikon, Verlagsbuchhandlung Paul Parey, Berlin 1919) wird auch hier nett beschreiben:
    http://www.brauhaus-goslar.de/Geschichte_/geschichte_.html

    Nach dieser Methode wird allerdings in Goslr nicht mehr gebraut.

    Interessant auch, dass der Gärungsprozess recht lange gedauert hat und das Bier erst nach 1 1/2 bis 2 Jahren in den Handel kam. Heute geht es sicherlich bei der Spontangärung schneller.

    • Aha, das ist interessant zu lesen. Hat denn wirklich das Gären so lange gedauert, oder haben sie es auch gelagert, wie es die Belgier tun?

  2. Och, kein Schaum mehr? Ich hoffe, Dir fällt was neues ein, Herr A.

    Und, P, Bier nach zwei Jahren?? Ich dachte, das meiste hält sich nicht mal halb so lange?

    • Die meisten Pilsener, die man hier kriegt, sind nach dem Ablauf des Haltbarkeitsdatums wirklich hin. Fangen an, nach Pappe zu schmecken. Aber die Postdamer Weiße wurde durch Lagerung besser. Das hatten uns die Schenkenden so empfohlen. Warum die Brauerei das Haltbarkeitsdatum dann so knapp macht, weiß ich nicht, das Bier war absolut ok, wie gesagt, sogar geschmacklich besser: ausgewogen, feinperlig, komplex. Sehr gut. Und weil es die Belgier auch machen, bin ich nicht überrascht, daß die Gose auch so spät in den Handel kam.

  3. In Leipzig wird traditionell auch noch eine Gose gebraut und gerne getrunken, z.B. in der Gosenschenke. Ich fand sie auch sehr ansprechend. Und abseits des deutschen Reinheitsgebots entstehen die interessantesten Biere.

  4. Pingback: Sauerbier « Vilmoskörtes Blog

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